02.07.2019

Beefgeflüster mit Patrick Gerber, Bettingen

Drei Generationen Gerber leben auf dem Bauernbetrieb in Bettingen. Direktvermarktung, Obstbau und Mutterkuhhaltung sind die wichtigsten Betriebszweige.
    Basler_Alp

Gerbers Mutterkuhherde auf der «Basler Alp». Die ehemalige Holsteinherde vererbt lange die schwarze Farbe, bevor sich die hellbraune Farbe der Limousin durchsetzt. (Foto: Familie Gerber)

beef.ch kommt im September ins Zentrum von Basel auf den Barfüsserplatz. Was bedeutet das für euch?

Ich staune über das Engagement von Mutterkuh Schweiz und finde die beef.ch toll. Sie ist sehr wertvoll für den Austausch mit den Konsumentinnen und Konsumenten.

Warum braucht es eine solche Plattform für den Austausch zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft?

Es ist wichtig, sich mit den Konsumentinnen und Konsumenten direkt auszutauschen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und ihnen auch klar zu machen, dass in der Landwirtschaft Änderungen nicht von heute auf morgen zustande kommen. Wir arbeiten mit der Natur und alle Anpassungen brauchen Zeit. Aber wir müssen gegenseitig voneinander lernen, damit wir weiterkommen und nicht stehen bleiben.

Kannst du ein Beispiel nennen, wo ihr dank dem Austausch mit der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung weitergekommen seid?

Wir haben vor 15 Jahren unsere Mutterkuhherde aus der Holstein-Milchkuhherde aufgebaut. Mittlerweile ist der Anteil Limousin in der Herde gross, doch die Holstein-Wurzeln sind bei einigen Tieren noch gut erkennbar. Seit mehreren Jahren setzen wir nun auf natürlich hornlose Limousin-Stiere. Damit werden wir langfristig den Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten – und auch von uns – erfüllen und keine Kälber mehr enthornen müssen. 

Wie pflegt ihr den Austausch mit der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung in eurem Alltag?

Unser Landwirtschaftsbetrieb liegt mitten in Bettingen, da gibt es viele Berührungspunkte. Wir betreiben einen Hofladen, der täglich geöffnet und rege frequentiert wird. Ausserdem bieten wir von August bis Dezember unsere Produkte auf dem Wochenmarkt in Riehen an.

 


    Familie Gerber

Drei Generationen Gerber leben und arbeiten auf dem Bauernbetrieb in Bettingen (von links nach rechts): Hanna und Werner Gerber-Amstutz, Jemina und David Gerber mit Liam (5), Yael (3) und Elina (1) sowie Heidi und Patrick Gerber-Kyburz mit ihren drei Kindern Joel (8), Sina (7) und Elias (4).

40 Mutterkühe mit Kälbern sowie der Limousin-Stier Saladin bewohnen den vom Kanton gepachteten Stall im Dorf und den eigenen Neubau ausserhalb. Zusätzlich bringen 150 Hühner Leben ins Dorf.

Insgesamt werden 57 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet. 18 Hektaren sind Ackerland, auf denen unter anderem Weizen, Triticale und Silomais angebaut werden, 37 Hektaren sind Wies- und Weideland. Auf zwei Hektaren steht eine Obstanlage mit Äpfeln, Zwetschgen, Birnen und Aprikosen.

Die Direktvermarktung von Obst, Natura-Beef, Trockenwürsten, Brot, Eier, Süssmost und Konfitüren ist neben dem Obstbau und der Mutterkuhhaltung einer der bedeutendsten Betriebszweige. (Foto: Familie Gerber)

Mehr Infos unter www.frischvomhof.ch


Ein Landwirtschaftsbetrieb mitten im Dorf, das bringt doch sicher auch Konflikte?

Wir sind uns sehr bewusst, dass gerade die Tierhaltung zu Problemen führen kann. Deshalb und auch weil die Entwicklungsmöglichkeiten im Dorfkern begrenzt sind, wollte mein Vater den Betrieb eigentlich aussiedeln. Damals hielten wir Milchkühe und Schweine. Doch die Dorfbevölkerung war dagegen, sie wollten den Landwirtschaftsbetrieb im Dorf behalten. Es wurde deshalb nur eine Scheune ausserhalb des Dorfes gebaut. Heutzutage wird der Stall im Dorfzentrum nur im Winter benutzt. Zu einer Jahreszeit also, während der man die Fenster sowieso eher geschlossen hat und sich weniger an Gerüchen oder Fliegen stört. Ausserdem ist die Arbeit mit Mutterkühen im Zentrum weniger konfliktreich als mit Milchvieh.

Spürt ihr die Nähe zur Stadt Basel?

Bettingen gehört zum Naherholungsgebiet der Stadt Basel, doch es gibt keinen Durchgangsverkehr und wir haben auch weniger Probleme mit Abfall und Hundekot in unseren Wiesen und Feldern als wenn wir direkt am Stadtrand wären. Es sind vor allem Spaziergänger und Wanderer, die hierher kommen. Wir versuchen auch hier unsere Chance zur Bewusstseinsförderung zu nutzen und haben zum Beispiel Infotafeln aufgestellt, um zu veranschaulichen, dass auf den Feldern das Getreide für das Brot wächst, das meine Frau jeweils samstags für den Hofladen backt.

Würdet ihr manchmal lieber einen weit abgelegenen Hof bewirtschaften, wo ihr mehr für euch seid?

Nein, uns gefällt der Kontakt, der durch die zentrale Lage entsteht. Deshalb sind wir auch die Initiatoren des Herbstfestes, das am 19. Oktober 2019 zum zehnten Mal stattfinden wird und an dem sich mittlerweile das ganze Dorf beteiligt. Ich fühle mich reich gesegnet und möchte dies mit anderen teilen. Einerseits in dem ich Leute an unserem Leben auf dem Hof teilhaben lasse, andererseits auch dadurch, dass der Erlös an diesem Fest an ein gemeinnütziges Projekt geht.

Gibt es Situationen, in denen es ausserhalb des Zentrums einfacher wäre?

Ja sicher. Wir haben von unserem Hof aus beispielsweise wenig direkten Zugang zu Weideland, weshalb die Mutterkuhherde jeweils im Frühling mit einem Viehwagen auf die «Basler Alp» gefahren wird. Als es dieses Jahr am 1. April nochmals schneite, waren wir gezwungen, die Tiere für zehn Tage zurück in den Dorf-Stall zu fahren. Bis da die Kühe und Kälber mithilfe von Panels wieder eingefangen und alle mit dem Viehwagen zurück in den Stall transportiert waren, gab es ganz schön was zu tun. Das ist dann halt die Kehrseite der zentralen Lage, doch der Kontakt zur Bevölkerung macht den Aufwand wieder wett.