Zur damaligen Zeit waren moderne Panelsysteme nicht verbreitet. Man behalf sich mit üblichen Absperrgittern, wie sie bei Volksanlässen verwendet werden. Das Bild stammt vom Stierenmarkt 1995 welcher mit der Ausstellung von Kühen und Kälbern erweitert war (Fleischrinderwoche 1995). (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Die ersten Stierenmärkte für Fleischrinderrassen fanden Anfang der 80er Jahre statt. Schon viel früher gab es die Zuchtstiermärke für Milchrassen, beispielsweise in Thun, Zug oder Bulle. Die Fleischrassen-Stiere kamen im wahrsten Sinne des Wortes ins Zentrum, in die Markthalle im Zentrum von Brugg-Windisch. Die Märkte entstanden aus einer Notwendigkeit heraus: Die Mutterkuhhaltenden suchten Stiere, um sie in ihren Herden einzusetzen – die Züchter wollten ihre Stiere präsentieren, beurteilen lassen und zum Teil auch verkaufen.
«Wer wen am Halfter führte, war manchmal nicht ganz klar.» Diese Aussage von Jon Paul Thom, langjähriger Stallchef an den Fleischrinder-Stierenmärkten, lässt tief blicken. Dass ab und zu ein Stier die Führung übernahm oder sogar entwischte, dürfte mehrere Gründe gehabt haben: Es gab noch wenig Erfahrung mit Stieren von Fleischrinderrassen. Der Umgang mit den Stieren, die sich frei in den Mutterkuhherden bewegten, musste erst gelernt werden. Heutzutage wird mit den Jungstieren mehr gearbeitet und geübt. Es wird von klein auf viel Wert daraufgelegt, dass die Stiere an Berührungen und Halfter gewöhnt sind (Vergleiche «Ein langer Weg vom Stierkalb zum Jungstier»). Auch das Temperament der Stiere ist heute anders. Bei der Zucht wird dem Charakter grosse Bedeutung beigemessen, früher waren viele Stiere noch temperamentvoller und aufmüpfiger.
Auch in der Markthalle wurde der Präsentationsring mit Absperrgittern und Strohballen abgesperrt und war nur bedingt ausbruchsicher. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Auch die Infrastruktur half nur bedingt, die Tiere in die richtigen Bahnen zu lenken. Mehr als einmal büxten Tiere – meistens Rinder und nicht Stiere – aus. Legendär ist die Geschichte eines Rindes, das seinen Betreuern entwischte und einen Coiffeursalon aufsuchte. Gemäss Artikel «Rindviecher auf dem Campus» beeindruckte das Rind die anwesenden Damen nachhaltig, was diese in hoch frequentierten Meinungsäusserungen kundtaten. Wer sich wohl mehr erschrocken hat?
Auch die Infrastruktur in der Markthalle Brugg-Windisch war nur bedingt ausbruchsicher. Dies tat jedoch der Stimmung im und um den Ring keinen Abbruch. Der Fleischrinder-Stierenmarkt war immer eine äusserst wichtige Gelegenheit, um sich untereinander auszutauschen. Der Kreis der Mutterkuhhaltenden in der Schweiz war damals noch klein. Man traf sich in Brugg zum Fachsimpeln aber auch zum Feiern. Nicht nur die Tiere, die ausbüxten, waren stadtbekannt, sondern auch ihre Züchtenden sowie Besitzerinnen und Besitzer.
Gefragt nach der Bedeutung des Stierenmarktes heute meint Jon Paul Thom, dass diese ungebrochen ist. Es braucht den Fleischrinder-Stierenmarkt als Plattform für die Preisbildung und den Vergleich von Zuchtstieren und für den Austausch unter Züchtenden sowie Produzentinnen und Produzenten.
Jon Paul Thom war fast von Anfang an Stallchef an den Stierenmärkten und ist immer noch voller Begeisterung dabei. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Seit 2003 finden die Fleischrinder-Stierenmärkte und Auktionen in der neuen Vianco-Arena in Brunegg statt. Der 2003 fertiggestellte erste Bau, fiel jedoch im Jahr 2007 einem Brand zum Opfer. Zur Überbrückung bis zum Wiederaufbau fanden die Märkte in einem eigens auf dem Areal montierten Zelt statt. Die Vianco-Arena bietet heute viel Platz zum Aufstallen des Viehs und eine praktische Infrastruktur zur Präsentation von Tieren sowie eine gute Ausstattung für Feste und Events. Jon Paul Thom ist immer noch als Stallchef dabei. Er und sein Team sind bestens eingespielt und verstehen sich sozusagen ohne Worte. Jeder Handgriff sitzt. Lesen Sie hier den Artikel über das Stallteam aus «die Mutterkuh 2/22».
Wollen Sie einen Stierenmarkt miterleben? Der Jubiläums-Stierenmarkt am 15./16. Januar 2025 ist dazu die optimale Gelegenheit!