09.06.2024

Texas Longhorn

Hart im Nehmen, zart im Charakter

In den Geschichtsbüchern steht, dass die Vorfahren des Texas Longhorn mit den Spaniern zur Zeit von Christoph Kolumbus nach Amerika segelten. Während der Bürger- und Indianerkriege zerstreute sich das Vieh auf der Prärie; absichtlich zurückgelassen oder verjagt von fliegenden Kugeln. Es verwilderte. Die Härte der Prärie und die Jagd auf diese Vorfahren stärkte nicht nur ihren Instinkt, sondern brachte auch ihre langen Beine, harten Klauen und langen Hörner hervor. Sie galten als die wildesten Tiere überhaupt, schwieriger zu jagen als Bison und Hirsch, selbst für den Wolf.

Die Farben und Muster variieren so stark wie bei keiner anderen Rasse; jedes Kalb ist ein Überraschungsei und oft dunkeln sie noch ab.

Bis zum Ende des Bürgerkriegs 1865 streiften Texas Longhorn Herden frei durch Texas – mit rund vier Millionen Tieren waren sie so zahlreich wie die Grashalme auf der Prärie. Ein Tier galt dort gerade mal vier Dollar. Im Norden hingegen zahlte man für Rindfleisch das Zehnfache. So begann die Ära der grossen Viehtriebe. In riesigen Herden wurden die Rinder von Texas nach Kansas getrieben. Die Rinder überstanden den langen Marsch nicht nur problemlos, sondern legten dabei sogar an Gewicht zu. So brachten sie Texas den wirtschaftlichen Aufschwung. 

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Fine Anna, gebürtige Österreicherin, sesshaft im Emmental, hat nicht nur die Schweizer Zuchtpapiere, sondern auch die amerikanischen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war mageres Fleisch nicht mehr gefragt. Die boomende Industrie brauchte Talg und somit tierisches Fett. Das Texas Longhorn wurde stark mit anderen Rassen eingekreuzt. Es stand kurz vor der Ausrottung. 1927 wurde das Texas Longhorn unter Schutz gestellt, sieben Blutlinien blieben erhalten. Seit 1964 können Texas Longhorn in den USA registriert werden. Alle registrierten Texas Longhorn können bis zu einer der sieben Blutlinien zurückverfolgt werden, selbst diejenigen mit Schweizer Pass.  

Das fehlende Fett, das dem Longhorn einst zum Verhängnis wurde, ist heute wieder eine seiner grössten Stärken. Ernährungswissenschaftler und Gesundheitsbewusste sind Fans des cholesterinarmen Fleisches. Es ist so geschmackvoll, dass es kaum Würze braucht.

Neben einem geraden Rücken und gesunden Klauen wollen alle Züchter verrückte Farben und – natürlich – möglichst lange Hörner. Gemessen wird «tip-to-tip», also von einer Hornspitze zur anderen in einer geraden Linie. 1960 waren 75 Zentimeter Hornspannweite die Regel, 100 Zentimeter aussergewöhnlich. Heute sind 130 Zentimeter der Durchschnitt, aber 180 Zentimeter und mehr das Ziel. Der Weltrekord-Ochse Poncho Via aus Clay County, Alabama, kommt auf satte 323 Zentimeter. Wie gute Polizisten, gehen Texas Longhorn vorsichtig mit ihren Waffen um. Sie wissen genau, wo ihre Hornspitzen enden und vielleicht macht genau dieses Wissen sie so ruhig und friedlich. Natürlich gibt es Situationen, in denen die Hörner eingesetzt werden, beispielsweise bei Rangkämpfen oder zur Verteidigung der Kälber. Ein Texas Longhorn ist also nicht gefährlicher als jede andere Hornkuh – im Gegenteil.

Zuchtstier Choose a Coke hat mit vier Jahren eine Spannweite von 150 Zentimetern.  

Autorin und Fotografin: Susanne Sommer, www.texaslonghorn.love

Weitere Infos: mutterkuh.ch, www.stla.ch